Einblicke und Antworten zum Familiennachzug
– Diskussionsrunde vom 23. Mai 2018
Am Mittwochabend informierte die IIK e.V. zusammen mit dem Flüchtlingsrat Niedersachsen über das Thema Familiennachzug.
Zu Beginn begrüßte die Leiterin der IIK Mahjabin Ahmed alle Anwesenden und hielt eine kurze Willkommensrede. Sie betonte, dass der neue Gesetzesentwurf der Integration und damit auch der Zukunft vieler geflüchteter Menschen hier in Deutschland im Wege stehe und einer Willkommenskultur in Deutschland widerspreche.
Danach wurden sechs kurze, teils sehr tragische, Geschichten von Menschen vorgelesen, die wir aus unserer tagtäglichen Beratung kennen: Teilweise haben diese Menschen bereits erfolgreich ihre Familien nachholen können bzw. gehören selbst zu den Nachziehenden – so wie der heute 20-jährige Syrer Yasin, der bereits in Jordanien Deutsch gelernt hat. Teilweise sind sie aber auch vom (beschränkten) Familiennachzug betroffen oder haben mit ihrem Status überhaupt keine Chancen darauf, ihre Familie nachzuholen – so wie Tarek aus Afghanistan, der sich im Klageverfahren befindet und seine Frau und seine beiden Töchter in Afghanistan zurücklassen musste, und der deutlich macht: Niemand verlässt ohne Grund seine Familie.
Anschließend gab Karim Alwasiti (Flüchtlingsrat Niedersachsen) einen kurzen Überblick zu dem Thema und machte deutlich, dass das Thema Familienzusammenführung deshalb so relevant ist, weil es derzeit im Grunde für Schutzsuchende bzw. die Kernfamilie der Schutzsuchenden die einzige gefahrlose Möglichkeit ist, nach Deutschland zu kommen. Gleichzeitig stellte er klar, dass die Politik seit Jahren versucht, mittels bürokratischer Hürden, der Verwaltungspraxis und Gesetzes-verschärfungen, die Familienzusammenführung immer weiter einzuschränken. So wurde der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten – der Status, den vor allem Syrer*innen erhalten haben – durch das Asylpaket II für volle zwei Jahre bis März 2018 ausgesetzt, um den Zuzug zu beschränken. Hiervon waren Hunderttausende Geflüchtete betroffen.
Anfang 2018 wurde die gleiche Regelung dann zunächst bis Ende Juli 2018 verlängert. Der neue Gesetzesentwurf will nach der Abschaffung des Rechtsanspruchs auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte nun ein monatliches Kontingent von maximal 1.000 Menschen pro Monat die Möglichkeit geben, nach Deutschland einzureisen. Nach welchen Kriterien dies entschieden werden soll, bleibt bisher völlig unklar. Alwasiti fasste dies mit den Worten zusammen: „Es ist eine Art Lotterie.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten die Teilnehmer*innen Yasmin Fahimi (MdB, SPD-Bundestagsfraktion), Benedikt Behlert (Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht, Bochum), Karim Alwasiti, Fahad Al-Hutaimi sowie Moderator Kai Weber (Flüchtlingsrat Nds) über Sinn und Unsinn – bzw. Recht und Unrecht – des neuen Gesetzesentwurfes zum Familiennachzug.
Aus völkerrechtlicher Perspektive ist die Begrenzung – und selbstverständlich auch die Aussetzung – problematisch: Das Völkerrecht garantiert zwar keinen grundsätzlichen Anspruch auf Familienzusammenführung, verlangt aber, dass jeder Einzelfall geprüft wird. Faktisch sei dies nicht passiert. Auch die UN-Kinderrechtskonvention spricht davon, dass das Kindeswohl in besonderem Maße zu berücksichtigen sei. Auch dies ist ohne die Prüfung jedes einzelnen Falls nicht möglich. Von politischer Seite hörten wir, dass die Beschränkung des Familiennachzugs der einzige Kompromiss war, der mit der CDU/CSU ausgehandelt werden konnte – und dass nur so noch Schlimmeres auf Gesetzesebene verhindert werden konnte. Zynisch, finden einige. Dass dies vor allem für die Betroffenen selbst unverständlich ist – und sie das auch ihren Ehepartner*innen und ihren Kindern, die immer noch in Bürgerkriegsländern wie Syrien ausharren, kaum erklären können – wurde nicht zuletzt durch einen bewegenden Beitrag aus dem Publikum deutlich. Außerdem, so machte Fahad Al-Hutaimi deutlich, haben diese politischen Entscheidungen einen stark demoralisierenden Effekt: Viele geflüchtete Menschen warten schon seit Jahren darauf, dass sie ihre Ehepartner*innen oder ihre Kinder zu sich in Sicherheit bringen können. Und viele sind inzwischen so entmutigt, dass sie keinen Sinn mehr darin sehen, Deutsch zu lernen oder eine Ausbildung zu beginnen.
Letztlich bleibt daher eines sehr wichtig: Wir müssen weiterhin unsere Stimme erheben und lautstark die Rechte einfordern, die uns und *allen* unseren Mitbürger*innen zustehen.